Vereinsgeschichte 1893 – 2015
3. September 1893: Unter dem Vorsitz des königlichen Forstmeisters Eduard Widder konstituiert sich in der Gemeinde der Verschönerungsverein Seeshaupt e. V. Knapp dreißig Mitglieder unterzeichnen die Vereinsgründung, einstimmig wählen sie einen Vorstand aus alt eingesessenen Seeshaupter Familien: Neben dem erwähnten Forstmeister gehören ihm der Fischermeister Michael Demmel (Kassier), der Lehrer Johann Albert (Schriftführer) sowie Bürgermeister Georg Leis, kgl. Bahnmeister Gottfried Meller, Posthalter Rasso Vogl und Mühlenbesitzer Hans Schneider (die vier letztgenannten als Beisitzer) an. Der Mitgliedsbeitrag betrug eine Goldmark. In seiner bis heute über 120-jährigen Geschichte trug der Verein dann unterschiedliche Namen und hatte dementsprechend auch deutlich wechselnde Tätigkeitsschwerpunkte.
Mit der Gründung eines Verschönerungsvereins folgte Seeshaupt damals dem Zug der Zeit. Quer durchs Land entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts solche Vereine, die mit der Pflege des Ortsbildes und der Schaffung entsprechender Einrichtungen dem aufkommenden Tourismus Rechnung trugen. Auch in Seeshaupt waren die Gründungsmitglieder der Meinung, dass der Ort als Fremdenverkehrsziel attraktiver zu gestalten sei. In der Amtsperiode 1896–1899 hatte sich die noch junge Organisation zum Beispiel die Instandhaltung von Fußwegen, die Aufstellung von Warntafeln, Wegweisern und Laternen vorgenommen. Der Verein bezahlte nicht nur das Gas für die Laternen, sondern der Laternenanzünder hat aus der Vereinskasse auch eine jährliche Gratifikation von fünf Reichsmark erhalten. Überhaupt hat der Verschönerungsverein viele Aufgaben wahrgenommen, die heute bei der Gemeinde oder übergeordneten Behörden liegen, zum Beispiel den Unterhalt der Dorfstraßen. Und schon damals hat man der Anlage von Alleen großes Gewicht beigemessen – ein Thema, das den Verein bis heute begleitet. Kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert ist zum Beispiel die Pflanzung und Pflege einer Baumreihe zum Moossee (heute Gartensee) festgehalten, die aus der Vereinskasse finanziert wurde.
In einem Protokoll aus dem Jahr 1911 ist dann verzeichnet, dass sich der Verschönerungsverein große Sorgen um den Ausverkauf der Seegrundstücke im Gemeindebereich machte. Es wurden horrende Grundstückspreise bezahlt, und es bestand die Gefahr, dass Seeshaupt alle öffentlich zugänglichen Badeplätze verliert. Nicht einmal der Platz vor dem Dampfschifffahrtssteg stand für die Allgemeinheit zur Verfügung, denn er war im Eigentum von Posthalter Vogl.
Im Jahresbericht des Vereins aus dem Jahr 1912 heißt es: „Außer den jährlichen sich wiederholenden Wegreparaturen, Wiederinstandsetzungen der durch Witterungsverhältnisse und leider auch durch Mutwillen ruinös gewordenen Ruhebänke, Aufstellung von Wegtafeln und der Beschneidung durch Alleebäume, ließ sich der Verein vor allem auch angelegen sein, in der Angelegenheit der schon seit geraumer Zeit gewünschten Seepromenade zu einem befriedigendem Resultat zu kommen.
Nach langen Verhandlungen mit den in Betracht kommenden Grundeigentümern, von denen ein Teil sich der Anlage eines Seeweges vollkommen abgeneigt zeigte, konnte endlich an die Ausarbeitung des Projektes herangetreten werden.
Im Frühjahr 1913 wird der Seeweg, der an Stelle des alten Seeseitener Kirchenweges tritt, fertiggestellt sein. Er bietet Überblick über den ganzen See und zwei Zugänge an denselben.“ 300 Mark zahlte die Gemeinde für das Projekt Seepromenade, rund 800 Mark waren vom Verein – bei damals 600 Einwohnern hatte er 102 Mitglieder – beizusteuern. Eine regelmäßige Ausgabe, nämlich eine Reichsmark pro Woche, fiel für die Bezahlung einer Person an, die im Gemeindebereich Abfälle – aufgeführt werden Speiserest, Obst, Papier – aufsammelte.
Aus den Jahren um den Ersten Weltkrieg gibt es außer einem fortlaufend geführten Kassenbuch keine Aufzeichnungen über die Vereinsaktivitäten.
Am 18. März 1922 ist die Wiederbelebung der Vereinsaktivitäten unter dem Namen „Ortsverschönerungs-, Kur- und Fremdenverkehrsverein Seeshaupt“ dokumentiert. Zu seinen Zielen gehörten unter anderem, von der Eisenbahndirektion günstige Bahnanschlüsse zu erzielen, die Unterstützung der Gemeinde „auf dem Gebiete der Reinlichkeit, Verkehrssicherheit und Beleuchtung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze“, sowie die Überwachung der Presse „in Bezug auf etwaige falsche Mitteilungen oder Nachrichten, welche das Interesse des Kur- und Fremdenverkehrsortes Seeshaupt schädigen“ könnten. Außerdem wurde eine Kurtaxe eingeführt. Als Service für Sommerfrischler stellte der Verein im Zugang zur Kirche eine Wetterstation auf. Das Kassenbuch verzeichnet dafür 1924/25 Ausgaben in Höhe von 558 Mark.
Eine große Aufzeichnungslücke gibt es auch von 1925 bis in die späten fünfziger Jahre. 1935 enden auch die Eintragungen in das Kassenbuch. 1958 ist dann die Neugründung des „Verkehrs- und Verschönerungs-Vereins“ nachzulesen. Theo Musselmann und Fritz Lemm waren die Vorstände, Heinrich Rothemund war Kassier und Erwin Roder Schriftführer. Wieder setzte sich der Verein für den Fremdenverkehr und die Markierung der Fußwege ein, außerdem wurde auf sein Betreiben und mit seiner finanziellen Unterstützung die Seeanlage am Dampfersteg neu gestaltet. Wie Protokolle belegen, beklagte der Vorstand seinerzeit, dass die Gemeinde an den Belangen des Vereins wenig Interesse zeige.
In all den Jahren unterhielt der Verein das Verkehrsbüro im Rathaus und nahm alle damit verbundenen Aufgaben wahr, von der Werbung über die Zimmervermittlung bis hin zu Verhandlungen über Bahn- und Schiffsfahrpläne. Während für das Jahr 1962 über 27 000 Übernachtungen in Seeshaupt verzeichnet sind (4750 in Privatquartieren, 10 500 in Hotels und 12 000 auf dem Campingplatz), musste die Gemeinde Ende der sechziger Jahre große Einbußen im Fremdenverkehr hinnehmen, weil zwei große Hotels (Seehotel und Hotel Post) nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung standen. In den 1970er Jahren hat die Gemeinde dann alle Aufgaben im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr selbst übernommen, so dass der Verein seinen Namen den verbleibenden Aufgaben angepasst hat und nur noch als „Verschönerungsverein Seeshaupt e. V.“ firmierte. Er kümmerte sich um die Bepflanzung öffentlicher Rabatten, es fanden Blumenschmuck-Wettbewerbe statt und es wurde die vorbildliche Gestaltung von Vorgärten prämiert. Ein ständiges Thema blieben Rad- und Wanderwege, das Aufstellen von Ruhebänken und das Einsammeln von Müll entlang der Ausfallstraßen. Bis weit in die 1990er Jahre hinein hat der Verein die Standkonzerte der Seeshaupter Blaskapelle mitfinanziert, die an mehreren Sommerwochenenden am Dampfersteg stattfanden. Für das nächtliche Anstrahlen des Kirchturms wurden jährlich über 1000 DM ausgegeben. Für die Sanierung der Seegerichtssäule am Dampfersteg organisierte die Vorstandschaft im Jahr 1991 eine Spendenaktion und konnte so die Kosten für den Erhalt dieses Denkmals in Höhe von 4000 DM übernehmen. Auch die Gestaltung der Fläche rund um die große Steinfigur des Hl. Franz von Assisi an der St.-Heinricher-Straße im Jahr 1994 ist in ihrem Erscheinungsbild dem Verschönerungsverein zu verdanken. Eher kurios mutet heute an, dass der Verein das Heckenschneiden bei Grundstücken übernommen hat, deren Eigentümer nur unregelmäßig im Ort anwesend waren.
Neue Arbeitsfelder wurden dem Verein ab 2004 mit den Vorständen Thomas Huth und Gunther Grill, beide von Beruf Landschafts- bzw. Gartenplaner, erschlossen, was sich in Abstimmung mit der Gemeinde ein Jahr später auch in einem neuen Vereinsnamen widerspiegelte: in der Satzung des „Ortsgestaltungs- und Verschönerungsvereins Seeshaupt e. V.“, kurz OGVS, stand als Vereinsziel von da an auch die Erhaltung und Pflege des historischen Ortskerns und den Ort prägender Bauten und Einrichtungen sowie die Mitwirkung an der Verschönerung des Ortsbildes. Der Vereinsvorstand war in den Jahren ab 2004 auch Mitglied eines Ortgestaltungbeirats, den die Gemeinde unter Bürgermeister Hans Kirner installiert hatte. Beim Wechsel der Gemeindeführung haben sich aber weder der Ortsgestaltungsbereit noch die Mitwirkung des OGVS daran fortführen lassen.
Eine große Aufgabe hat der Verein ebenfalls im Jahr 2004 mit der Verpflichtung zum Erhalt des vom Ehepaar Barbara Kopf und Helmut Klug angelegten Schaugartens in der Bahnhofstraße übernommen. Zusammen mit Bürgermeister Kirner hat OGVS-Vorstandsmitglied Hans Stegmann dafür ein Konzept aus ehrenamtlichen Tätigkeiten und finanzieller Unterstützung entwickelt, um den Garten zukunftssicher zu machen. Von Frühjahr bis Herbst engagieren sich seither die Gartenfreunde aus dem Verein in jährlich über 500 Stunden ehrenamtlicher Arbeit bei der Pflege des 2500 Quadratmeter großen Gartens. Der Schaugarten gehört nicht nur zu den Attraktionen von Seeshaupt, sondern er ist überregional bekannt. Hierzu tragen auch zwei Veranstaltungen bei, die der OGVS jährlich organisiert: Die abendliche Serenade im Juli und der Jazz-Frühschoppen, der im September regelmäßig mehrere hundert Besuchern anzieht.
In den Bereich der Natur- und Landschaftspflege gehören viele Projekte, die von Dr. Uwe Hausmann und Dr. Volker Rausch, OGVS-Vorstände von 2007 bis 2010, initiiert wurden. So wurden 2007 Baumalleen an der Penzberger- und Weilheimer Straße angelegt bzw. vervollständigt, deren Planung noch auf die Vorstände Huth/Grill zurück ging, und es wurde die Sicherung von Naturdenkmälern im Gemeindegebiet betrieben (Stileiche an der Osterseenstraße, Linden an der Seepromenade, Bergulme Pettenkoferallee). Zu den regelmäßigen Vereinsarbeiten gehören die Erhaltung von Sichtachsen am Lustseeweg inklusive der Quelleneinfassung um das „Kindsbründl“ und das jährliche „Ramadama“ entlang der Ausfallstraßen. Auf Initiative des OGVS entstand im Frühjahr 2014 zwischen Ulrichsau und Ellmann ein Schulwald, der künftig von den dritten Grundschulklassen gepflegt wird.
Im Ortskern hat der Verein die Lourdes-Kapelle am Tiefentalweg renoviert und betreut sie bis heute in ehrenamtlicher Arbeit. Zu den Zeichen ländlicher Frömmigkeit, für deren Erhalt sich der OGVS eingesetzt hat, gehören das Relief des Hl. Michael am Friedhof, die Restaurierung und farbliche Neugestaltung von Wegkreuzen an der Kastanienallee und Baumschulenstraße durch Dr. Ursula Huber und die Finanzierung der Krippenlandschaft in der Pfarrkirche St. Michael. Im Kirchenumfeld geht auch die Anlage der Treppe vom Kirchhof zur Seepromenade (Jahr?) auf eine Initiative des Vereins zurück. 2012 erwirkte die Vorstandschaft, dass das Forsthaus an der Bahnhofstraße unter Denkmalschutz gestellt wurde. Zu wesentlichen ortsgestalterischen Planungen der Gemeinde wie der Westumfahrung (2013) und dem Bebauungsplan Südliche St.-Heinricher-Straße (2012) hat der Verein ausführlich Stellung genommen.
Nicht durchsetzen konnte sich ein im Jahr 2010 vorgelegter Plan zur grundlegenden Neugestaltung des Dorfplatzes an der Hauptstraße. Der Platz wurde dann in seiner bestehenden Form vom Verein saniert.
Weitere grundlegende Planungsvorschläge für Seeshaupt brachten vom OGVS initiierte Studentenarbeiten. So beschäftigte sich der Lehrstuhl „Gestalten im Freiraum“ an der Akademie der Bildenden Künste in München in einer Semesterarbeit mit Gestaltungsmöglichkeiten am Dampfersteg und entlang des Seeufers (2011). Die „Ortsmitte Seeshaupt“ war dann im Jahr 2012 Thema eines Workshops, bei dem Studierende vom Lehrgebiet Stadtbaukunst und Entwerfen an der TU Kaiserslautern vor Ort Ideen für die Sanierung bzw. Neubebauung des Areals Hauptstraße 2 und 4 entwickelt haben. Eine weitere Initiative des Vereins war die Einholung von vier professionellen Vorschlägen für die Gestaltung von Ortsbegrüßungsschildern („Willkommen/Grüß Gott in Seeshaupt“, 2014).
Seit einigen Jahren engagieren sich viele Mitglieder des Vereins an führender Stelle im Dorfentwicklungsprogramm des Freistaats Bayern, dem sich die Gemeinde anschließen will. Die Planungsvorschläge, die der OGVS mit seinen Initiativen vorgelegt hat, werden an dieser Stelle hoffentlich nützlich sein.
Eine besondere Würdigung der Leistungen des Vereins war sicherlich die Verleihung des Umweltpreises 2013 durch den Landrat des Landkreises Weilheim-Schongau. Der Ortsgestaltungs- und Verschönerungsverein Seeshaupt e. V., der nicht nur zu den ältesten, sondern mit rund 190 Mitgliedern zu den größten Vereinen der Gemeinde gehört, wird seine Aufgaben auch in Zukunft engagiert wahrnehmen.